Ziel des Projektes war es, das theoretische Konzept „Bewertung der Anwesenheit teil- oder nicht bewertbarer Stoffe im Trinkwasser aus gesundheitlicher Sicht“ durch die experimentelle Erhebung toxikologischer Daten in Bezug zum Endpunkt Neurotoxizität zu unterlegen. Dadurch wird eine schnelle und sichere Ableitung der gesundheitlichen Orientierungswerte (GOW) möglich. Die quantitative Festlegung der GOW basiert vorrangig auf der Kenntnis des toxikologischen Wirkmechanismus und den dazu verfügbaren Daten. Im Rahmen des Projektes wurde eine dreistufige Testbatterie erarbeitet. Dabei werden in der 1. Teststufe allgemeine Verfahren zur Charakterisierung der Toxizität angewandt. In der 2. Stufe kommen vergleichende Untersuchungen zur Toxizität in Nerven- bzw. Leberzelllinien zum Einsatz. Die dritte Teststufe besteht aus neuronenspezifischen Tests zur Verifizierung der bisherigen Ergebnisse.
Ausgehend von den Ergebnissen vorangegangener Testverfahren wurden sieben Substanzen mit auffälligem neurotoxischen Potenzial identifiziert, Atrazin, Cypermethrin, 2,4-Dichlorphenol und Dichlorvos, Bis(2-methoxyethyl)ether und Nitrosomorpholin und Nonylphenol. Die weiterführenden Testverfahren ergaben für alle sieben Testsubstanzen ebenfalls Effekte. Damit wurden die Ergebnisse aus der 2. Teststufe, in der organspezifische Veränderungen durch vergleichenden Testverfahren erfasst werden, bestätigt. Hierbei lieferten insbesondere die Nachweisverfahren zum Phosphorylierungsstatus von p38 MAP Kinasen, durch ihre hohe Sensitivität und die Untersuchungen an Astrozyten, zur Erfassung von Effekten von Substanzen mit geringer Wirkung auf Neuronen, eine bessere Charakterisierung des neurotoxischen Potenzials. Die fortschreitende Einbeziehung immer spezifischerer Untersuchungen macht die Basis für die Risikobewertung chemischer Substanzen hinsichtlich ihres neurotoxischen Potenzials trotz der Komplexität der Problematik zunehmend stabiler und aussagekräftiger.
Die Projektergebnisse sind in den folgenden Kernbotschaften zusammengefasst:
Botschaft 1: Die Zahl der ungeregelten Sachverhalte im Trinkwasser nimmt erheblich zu. Mit dem theoretischen Konzept der Ableitung gesundheitlicher Orientierungswerte (GOW) können Maßnahmeempfehlungen auch ohne rechtsverbindlich gesetzte Standards gegeben werden.
Im Trinkwasser neu analysierte Substanzen müssen zeitnah bewertet werden, um eine unmittelbare Gefährdung für die menschliche Gesundheit auszuschließen. Das GOW-Konzept, ausgerichtet an dem Vorsorgeprinzip, erfüllt diese Forderung. Die Ableitung des GOW basiert auf humanrelevanten toxikologischen Wirkungen (u. a. Gentoxizität, Neurotoxizität, Reproduktionstoxizität) und den dazu verfügbaren Daten.
Botschaft 2: Die Erweiterung des GOW-Konzepts durch experimentelle Module erlaubt eine zeitnahe Erhebung von Daten, die die wissenschaftliche Basis für die Ableitung der GOW erhöht. Dies ist ein wesentliches Element für ein effektives Risikomanagement.
Durch den Leitfaden existiert eine verbindliche Vorgehensweise für die toxikologische Gefährdungsabschätzung. Die GOW-Ableitung beginnt immer mit dem allgemeinen Vorsorgewert 0,1 µg/l. Die wirkungsbezogenen GOW werden auf der Grundlage der experimentellen Daten erhoben. Da die Höhe des GOW maßgeblich die Maßnahmeoptionen mit dem entsprechenden Kostenaufwand vorgibt, ist eine sichere wissenschaftliche Basis zwingend notwendig.
Botschaft 3: Durch das erweiterte GOW-Konzept wird eine Priorisierung von Substanzen vorgenommen und das weitere Vorgehen bestimmt.
Die Priorisierung von Gefährdungspotenzialen muss neben der toxikologischen Bewertung kontextübergreifende Parameter einbeziehen (z. B. Expositionshöhe, Expositionsherkunft, technische Möglichkeiten zur Minimierung der Schadstoffbelastung).
Botschaft 4: Die toxikologische Sicherheit des Trinkwassers kann durch die experimentell gestützte GOW-Ableitung gewährleistet werden.
Die bisher nachgewiesenen Konzentrationen an Spurenstoffen liegen alle im Niedrigstdosis-Bereich. Das methodische Konzept auf zellulärer Ebene kann Niedrigdosis-Mechanismen erfassen und frühzeitig Gefährdungspotenziale erkennen (Vorsorgeprinzip).
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